11. Graubünden Marathon - Zu Besuch bei Gian und Giachen in Switzerland... s'Fiaßli muscht heba!

Steffen am Heidsee in Vabella
Steffen am Heidsee in Vabella
200 m vor dem Ziel
200 m vor dem Ziel

Kempten - 04:20 Uhr am Morgen des 29. Juni 2013 ... eine kurze Nacht liegt hinter mir und meine Gedanken sind noch irgendwo anderst, aber bestimmt nicht am Start eines Marathons. Nachdem ich mich aus dem Bett gewälzt hatte war ich dann aber auch schon wach. Honigsemmel gerichtet, Getränkeflaschen gefüllt und die bereits am Vortag gepackten Taschen ab ins Auto - so bin ich um 05:10 Uhr in Richtung nähe Immenstadt gestartet, wo ich mich mit Philipp Schädler vom Team Dynafit traf. Von dort ging es dann ab in Richtung Schweiz. Ohne Stau und großartigen Verkehr kamen wir zeitig gegen 07:20 Uhr in Chur (550 m), der ältesten Stadt der Schweiz an. Nach einem Zwischenstop am Theater, bei dem auch der Start des 11. Graubünden Marathons ausgetragen wurde, fuhren wir etwas unter Zeitdruck weiter nach Lenzerheide - 20 Kilometer weiter und etwas höher gelegen (1450 - 1600 m). Kaum geparkt um 08:15 Uhr stiegen wir ruck zug in die Laufklamotten, packten das nötigste in den Effektenbeutel und sprangen mit offenen Schuhe los zum Postbusshuttle, der pünktlich um 08:23 Uhr zurück nach Chur losfuhr. Während wir uns im Bus den letzten Schliff gaben gingen so einige Gedanken durch den Kopf. "Wie bescheuert kann man eigentlich sein? Man fährt mit dem Auto von Chur nach Lenzerheide, dann mit dem Bus wieder 1000 Höhenmeter runter um für ein üppiges Startgeld wieder den Berg hochrennen zu dürfen?!" Doch trotzdem hatten wir Spaß an dieser Vorstellung und kamen um 09:00 Uhr guter Dinge in Chur an. Auch wenn wir nicht immer jeden Schweizer gleich verstanden so fanden wir doch irgendwie zurück zum Startbereich und starteten noch ein Minimal-Warm-Up. Überpünktlich wie die Schweizer sind ging's dann auch gleich um 09:15 Uhr los - ein kleines, überschaubares Starterfeld drängte über die Startlinie und schob sich durch die Altstadt von Chur, bevor es dann auch schon 200 m später in die Steigung ging.

 

"Bergextremmarathon oder Flachland? Mir platzen die Waden!"

 

Ein unbandiges Tempo von Beginn an - leider funktionierte mein GPS noch nicht so ganz und hatte keinen Überblick wie schnell wir da überhaupt waren aber es fühlte sich einfach noch locker an. Doch nach vier Kilometern zog es mir vor entsetzen fast die Schuhe aus - mit 16 Minuten (04:00 min/km) querte ich das erste Teilstück und war mir sicher dieses Tempo bergan nicht gehen zu können. Denn jetzt wurde es ordentlich steil. Im Wechsel zwischen Asphalt, Wiesen und Waldboden bot sich eine wunderschöne Landschaft - neben steilen Kanten über die man sich nach oben wuchtete. Nachdem ich das Tempo etwas herausgenommen hatte, tat ich mir auch etwas leichter am Berg und fand meinen Rhythmus - letztendlich hatte ich immer die 4-Trails im Hinterkopf, so dass ich hier nicht voll am Limit laufen musste. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass mir die Waden schier zwischendurch platzen. Solche Wadenschmerzen hatte ich meinen Lebtag noch nie und ist kaum zu beschreiben. Immer wieder ging es auch etwas flacher dahin, jedoch wurde man nach jeder Kurve mit einer erneuten und manchmal noch steileren Passage überrascht. Die Zehn-Kilometer-Marke passierte ich mit 47 Minuten und war immer noch in meiner Zielzeit. In Churwalden angekommen hatte ich bereits fünfeinhalb Minuten Rückstand auf die Spitze - auch Philipp war mir längst davongelaufen. Aber als einer der besten deutschen Skibergsteiger war mir das schon zu Beginn des Marathons klar. Nach 18 langen, schier endlosen, aufsteigenden Kilometern waren wir endlich oben und es ging endlich bergab. Ich schmiss ein Gel ein und nahm die Beine in die Hand in Verfolgung von Jasmin Nunige (ehem. Langläuferin der schweizer Nationalmannschaft). Die viermalige Gewinnerin des Swiss-Alpine-Marathons (K78) zog das Tempo an so dass ich gezwungen war auch voll drauf zu halten. Die Halbmarathonmarke passierte ich nach 01:44 Stunden. In der Ebene und im Abstieg über Wiesen- und Waldtrails gelang mir das gut, jedoch musste ich sie letztendlich am Heidsee in Vabella ziehen lassen - hier ging es in den zweiten Anstieg. Überraschenderweise ging es mir hier recht gut und ich kam recht zügig voran - ich konnte sogar zwei Mitstreiter, die mich im ersten Anstieg kassierten, wieder einholen und überholen. Schon bald wurde es wieder flach, bevor es steil abfallend wieder zum Heidsee runter ging, vorbei an der Rothornbahn und ins Zentrum von Lenzerheide. Hier lief man eine Schleife um das Festzeltgelände, bevor Kilometer 36 den Weg in den letzten Anstieg in Richtung Scharmoin wies.

 

Streckenänderung wegen Schneelage

 

Es wurde ziemlich steil und es war nur ein Wiesentrail in guter alter Manier zu erkennen - "Falllinie". Das perfekte Training für die 4-Trails dachte ich mir. Aufgrund der schlechten Wetterbedingungen der letzten Wochen, wurde die Strecke ein paar Tage davor von der klassischen Marathondistanz auf 40 Kilometer herabgesetzt und statt den 2600 Hm waren es nur 2068 Hm. Das eigentliche Ziel auf dem Parpaner Rothorn war unantastbar - hier herrschen zur Zeit -4° C mit einer Schneehöhe von 2,5 m. Demzufolge waren alle recht froh, dass das Ziel nach Scharmoin gelegt wurde - die Mittelstation der Parpaner Rothornbahn. Die letzte Jausenstation bei Kilometer 38 machte mir besondere Freude. Schon von unten hörte ich die Schweizer schreien: "Hopp Steven, hopp, hopp - und du muscht schea s'Fiaßli heba, hopp." Ich konterte nur mit "Carbon statt Kondition" und alle lachten herzlich. Nach zwei Bechern Cola und etwas Wasser ging es weiter auf einem wurzligen Singletrail, kleinen Felsabbrüchen und weichem Waldboden. Eigentlich wunderbar zu laufen, jedoch machten mir meine Waden einen Strich durch die Rechnung. Zong, zong, zuckte es erst links, dann rechts ... den Krämpfen nahe. Nur keinen falschen Schritt machen, nicht  zu viel beugen oder gar sich abfangen müssen. Irgendwie schaffte ich es aus dem Wald heraus und plötzlich stand eine Herde Kühe vor mir auf dem Trail, die ich mit etwas geschick davonjagen konnte. Ich lief nochmals los und kurz vor dem Ziel durften wir nochmals einen kleinen Wiesenstich bewältigen, bevor ich in einer Bergabpassage ins Ziel laufen konnte nach 03:30:11 Stunden auf dem neunten Gesamtrang. Philipp war bereits umgezogen und wurde grandioser Fünfter in 03:13 Stunden. Damit gewann er die Altersklasse M16, ich wurde guter Dritter.

Nachdem wir zuerst mit Decken der Bergwacht eingehüllt wurden zogen wir uns rasch um, verpflegten uns und fuhren dann mit der Bahn ins Tal - leider erwarteten uns dort "fast" kalte Duschen - der einzige Minuspunkt an diesem Tag. Nach der Siegerehrung in einem beheizten Zelt und im Startgeld enthaltener Pasta fuhren wir zurück ins Allgäu.

 

Noch heute sind meine Waden hart wie Stahl - am Sonntag und Montag war ich auf dem Rad unterwegs und versuchte locker zu werden, heute früh bin ich erstmals vier Kilometer flach gelaufen - und das war doch noch sehr zäh. Die Regeneration läuft in vollem Gange und in acht Tagen geht es dann auch endlich los. Die Vorfreude ist rießig - nicht nur auf vier tolle Etappen, sondern vor Allem auf viele Bekannte Gesichter, Freunde und eine Menge Spaß und Action.

 

Sportliche Grüße, Steffen

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